Getränke und Trinkbräuche

Trinken gehört zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen. Doch die Art und Weise dieses Bedürfnis zu stillen ist mannigfaltig, denn der Mensch nimmt verschiedene Arten von Getränken zu sich, nicht allein weil er Durst hat, sondern weil sie ihm Schmecken. Und so war es natürlich im Spätmittelalter auch.

 

Getrunken wurde neben Wasser natürlich Bier, Wein und Met. Wobei der Met im Spätmittelalter keine große Rolle mehr spielte, er war sozusagen out. Wurde ihm bis zum 13. Jhd. noch an den deutschen Höfen zugesprochen, verlor er danach mehr und mehr an Bedeutung, wurde nur noch von der einfachen Bevölkerung getrunken bis er dann schließlich fast ganz aus der Mode kam. Getränk Nummer eins bei Adel und Klerus war dann der Wein, Doch Wein ist bekanntlich nicht gleich Wein. Es bestanden gewaltige Unterschiede in Qualität und Geschmack. Nicht jeder konnte sich Wein oder gar guten Wein leisten.

 

Auch war es natürlich von der Region abhängig was getrunken wurde. Im Norden wurde vermehrt Bier getrunken, auch wenn man in Hamburg Wein angebaut hat, doch die Weinregionen waren, wie auch heute, die klimagünstigeren Gegenden wie Rhein, Main, Mosel oder Necker.

 

Erst seit dem 16. Jhd. führten geschmackliche Verbesserungen und vergleichsweise niedrige Preise zu einer starken Verbreitung des Biers und zur teilweisen Verdrängung des Weins, sogar im Süden Deutschlands.

 

Wasser galt als das qualitativ geringste Getränk. Es war gerade gut genug für Straffällige und Gefangene, Bettler und einfache Leute. Das lag in erster Linie daran, dass das Wasser, vor allem in den Städten, übelschmeckend oder verunreinigt war aufgrund der Nähe der Brunnen zu Latrinen.

 

Wein war auch ein Teil der Entlohnung. So erhielten Tagelöhner, Knechte, Mägde, Spitalspfründer und Pfarrer täglich eine Ration Wein, die auch schon mal 2,5 Liter betragen konnte. Doch man muss bedenken, dass der Wein damals noch kein 11-12 Prozent Alkohol aufweisen konnte, sondern eher bei einem Alkoholgehalt von 4-6 Prozent lag. Nach dazu war der Wein im Spätmittelalter sehr sauer, daher waren die schweren, süßen Südweine aus Italien, Griechenland oder Spanien sehr beliebt.

 

Eine hauptsächlich im Elsass und am Rhein beliebte Spezialität war der sogenannte gefeuerte Wein, bei dem der Gärungsprozess durch Erhitzen des Mostes vorzeitig beendet wurde und so ein hoher Zuckergehalt besehen blieb. Mit der Erwähnung des wohl recht lieblichen, aber sicher nicht sehr bekömmlichen gefeuerten Weins kommen wir nun zu einem weiteren Thema der Weinbehandlung. Um den Wein haltbarer, klarer und schmackhafter, also lieblicher zu machen, behandelte man ihn auf vielfache Art. Beispielsweise gab man Senf oder Speck in die Fässer um die Gärung zu stoppen, setzte dem Wein Eier, Asche, Sand oder Lehm zu, um ihn zu klären, verabreichte im Schwefel um ihn haltbar zu machen und hängte zur Aromatisierung Salbei, Hopfen, getrocknete Rosen, Fenchel, Lauch, Tannenzapfen und ähnliches in Säckchen gefüllt für einige Tage in die Fässer. Als weitere Zugaben begegnen uns in Quellen Eiweiß, Weinstein, gebranntes Salz, Milch, Branntwein, Mandelmilch, Weizenmehl, Reis, Kieselsteine und vieles mehr.

 

Auch wurden dem Wein exotische Gewürze wie Ingwer, Zimt, Gewürznelken, Nardenwurzel und Safran zugefügt, sowie Zucker und Honig. Dieser Gewürzwein hatte dann eine Statusfunktion, da die beigefügten Zutaten teuer und begehrt waren.

 

Von einer solchen Weinbehandlung war es zu einer betrügerischen Weinfälschung oft nicht mehr weit. Da war das Strecken mit Wasser noch die harmloseste Methode. Denn durch die oft im Wein enthaltenen unvergorenen Mostreste drohten Magen- und Darmbeschwerden. Ernsthafte Gesundheitsschäden konnte bei Weinen auftreten die mit Quecksilber, Vitriol oder zu hohen Schwefeldosen behandelt worden waren. Doch diente Wein, mit den entsprechenden Kräutern versetzt auch als Medizin, bei Magen-Darm-Trakt-Erkrankungen, Herz- und Kreislaufbeschwerden, bei Schwangerschaft und Entbindung, sowie bei psychiatrischen und Atemwegserkrankungen.

 

Das Panschen von Wein konnte jedoch auch noch weitaus schlimmere Folgen haben, da die Obrigkeit mit Weinpanschern nicht gerade zimperlich umging. Denn durch die Panscherei war die Weinnachfrage geringer und es kam zu einem Rückgang der Steuern. In Ausnahmefällen konnte einem dieses Vergehen sogar den Kopf kosten, üblicherweise drohten jedoch lediglich Stadtverbannung, Geld- oder Ehrenstrafen.

 

Getrunken wurde nicht nur zum Durstlöschen, sondern bot , insbesondere nach intensiver körperlicher Arbeit eine willkommene Möglichkeit zur Entspannung. Auch aus diesem Grund wurden Tagelöhner, Knechte und Handwerker mir Wein bezahlt. Und natürlich galt der Wein wie heute auch als Seelentröster. Wein wurde zu den zwei gängigen Hauptmahlzeiten, sowie zu den bis zu drei Zwischenmahlzeiten getrunken, sofern man sich so viel Wein pro Tag leisten konnte.

 

Nicht nur bei der Spende des Abendmahls spielte im kirchlichen Leben Wein eine zentrale Rolle, sondern auch beim sogenannten Minnetrinken: An Festtagen bestimmter Heiliger trank man zu dessen Ehren. Ebenso waren Umtrünke nach Prozessionen, Wallfahrten oder sonstigen kirchlichen Festen üblich.

 

Im Rechtsleben kam Wein zur Bekräftigung einer abgesprochenen oder vollzogenen Vereinbarungen zum Einsatz: bei Kauf, Verkauf, Tausch, auch bei Verlobung oder Hochzeit, die rechtlich gesehen ähnliche Übereinkünfte darstellten. Daneben gab es noch zahlreiche andere Bräuche, so z.B. beim Würfelspiel: bei einer bestimmten Augenzahl musste ein Glas geleert werden.

 

Auch der Willkommenstrunk war üblich, wie auch die sogenannte Weinspende bei Krönungsfeierlichkeiten oder nach der Huldigung eines neuen Bischofs. So ließ z.B. die Stadt Speyer den noch heute vor dem Dom stehenden Brunnen, den Domnapf "voll luters winß" schenken und dann den Inhalt kostenlos an die Einwohner verteilen, symbolisch für den Weinbrunnen im Schlaraffenland. Solche Feste gehörten zu den öffentlichen Festen von denen es bis zu 46 Stück geben konnte und dann kamen noch die 52 Sonntage dazu. Doch trotz ihrer großen Zahl stellten die Feste trotzdem Ausnahmezustände dar, bei denen man zeigen konnte was man hatte und wer man war. Dementsprechend tischte man bei den Festen Alkoholika in rauen Mengen auf, da es zu den guten Tischsitten gehörte den Gästen wesentlich mehr vorzusetzen als sie zu sich nehmen konnten. Und wer viel vertrug zeichnete sich somit durch Manneskraft und Gesundheit aus.

 

So wurde z. B. für 100 Gäste 540 Liter Wein gekauft, oder bei den alljährlichen Festen der Safranzunft, der auch die Krämer angehörten, tranken die Gäste, Männer wie Frauen ca. 3,5 Liter Wein pro Kopf.

 

Das gemeinsame Feiern und Trinken diente natürlich auch der Förderung der Gemeinschaft und dies speziell durch das Zutrinken, welches das älteste Trinkritual darstellt, durch das man sich gegenseitiges Wohlwollen, Freundschaft und Brüderlichkeit versprach, in dem Glauben, durch den Trunk werde dem Gegenüber Glück, Gesundheit und Wohlergehen zuteil.

 

Überbleibsel dieser mittelalterlichen Sitte sind heutige Trinksprüche wie "Auf Dein Wohl" oder lateinisch "Prosit".

 

Doch in der zweiten Hälfte des 15. Jhd. nahm die Kritik an den herrschenden Trinksitten zu, der Rausch wurde von einem Zeichen der Männlichkeit zur schweren Entgleisung umgewertet. Diese veränderte Haltung führte zur Gründung von Mäßigkeitsvereinen, denen auch Frauen beitreten konnten.

 

Insbesondere das oben erwähnte Zutrinken wurde zur Zielscheibe der Kritik, sah man darin doch den Ausgangspunkt des "viehischen Saufens". Mit zahlreichen Bestimmungen ging daher die Obrigkeit gegen das Zutrinken vor. Man muss jedoch die Gesetze gegen das Zutrinken im Kontext der damaligen Sozialdisziplinierung verstehen. Hinter ihnen verbargen sich religiöse, wirtschaftpolitische, standespolitische und polizeiliche Motive. So widersprach ein Rausch vorreformatorischen Bemühungen um Buße und Askese. Die durch das Zutrinken hervorgerufene Gotteslästerung gefährdete nach dem damaligen Verständnis nicht nur den Einzelnen sondern brachte die gesamte Gesellschaft bei Gott in Misskredit.

 

Zur damaligen Zeit wurde Alkoholsucht nicht als Krankheit angesehen, sondern die betroffene Person galt als boshaft oder pflichtvergessen. Der übermäßige Alkoholkonsum wurde auch in der zeitgenössischen Literatur angeprangert, so z.B. von Hans Sachs, Philipp Melanchthon und Martin Luther, welcher schrieb: Es ist leider[...]gantz Deudschland mit dem Sauffenlaster geplagt.[...]Es mus aber ein jglich land seinen eigen Teufel haben... Unser Deudscher Teufel wird ein guter weinschlauch sein und mus Sauff heissen[...]

 

Getrunken wurde in Schenken, Tavernen, Trinkstuben, Herbergen und Gasthäusern, welche im Spätmittelalter sozusagen beinahe wie Pilz aus dem Boden schossen, Ausgeschenkt wurden hauptsächlich Wein und Bier, In der Regel dauerte der Ausschank von morgens zwischen 7 und 11 Uhr bis abends zwischen 20 und 22 Uhr. Die Wirte hatten ihre Gäste zu beaufsichtigen und Verstöße wie z.B. das Zutrinken anzuzeigen. Die Wirtshäuser boten Platz für 2 bis 40 Personen. Manche Gasthäuser standen für sich allein oder in einem kleinen Weiler, größere Dörfer verfügten über 1 bis 3 Gasthäuser, Marktflecken, Wallfahrtsorte und Kleinstädte zählten etwa ein Dutzend. In Großstädten fand man 40 bis zu mehreren Hundert Gaststätten. Auf dem Land waren Wirtshäuser nicht so dicht gesät. Im 15. Jhd. war jedoch eine Zunahme der Gasthäuser auszumachen, was vermutlich damit zusammenhing, dass die Tavernen zum Dorfmittelpunkt wurden.

 

Außer den bisher genannten Orten an denen getrunken wurde gab es noch die sogenannten Trinkstuben. Dort trafen sich die Mitglieder des gleichen Standes.

 

Zuerst hatte nur das städtische Patriziat solche Trinkstuben, doch spätestens seit 1330 nahmen sich auch die Zünfte und Gewerbegruppen dieses Recht, denn nun war ihr politischer Einfluss groß genug. Als sich jedoch die Gesellen im 14./15. Jhd. ebenfalls bemühten eigene Trinkstuben einzurichten wurde dies durch die sogenannte Knechtsordnung explizit verboten, wahrscheinlich aus Furcht davor, dass die Gesellen dadurch zu einer eigenständigen politischen Kraft werden könnten.

 

Getrunken wurde natürlich auch im Freien, bei größeren Volksfesten und anderen Feierlichkeiten.

 

In diesem Sinne - Prost!