Speiseplan und Essgewohnheiten

Kochbücher sind seit Ende des 13. Jahrhunderts (Jhds.) bekannt, sie geben jedoch nur Einblick in die Essgewohnheiten des städtischen Bürgertums. Somit spiegeln die Zutaten und die Zubereitung eher die Pflege einer Speisesymbolik und Repräsentation wider.

 

Das älteste gedruckte Kochbuch ist die "Küchenmeisterei" aus dem Jahre 1485. Das älteste südwestdeutsche Kochbuch dürfte wohl die um die Mitte des 15. Jhds. entstandene Handschrift aus dem Kloster Reichenau sein, das sogenannte Reichenauer Kochbuch.

 

Die wichtigste Nahrungsmittelgruppe bildeten die verschiedenen Getreidesorten. Hafer und Gerste als Sommergetreide und Dinkel, Roggen und Weizen als Wintergetreide. Roggen wurde zu Schwarzbrot verarbeitet, Hafer und Gerste waren bevorzugte Breigetreide. Des weiteren wurde auch Rispen- und Kolbenhirse, sowie Emmer und Einkorn angebaut. In Südwestdeutschland und der Schweiz war Dinkel weit verbreitet, zum Teil überwog sogar der Dinkel über dem Roggen. Reis bereicherte nur sehr selten den Speiseplan, da dieser im mittelalterlichen Europa lediglich in Spanien und Süditalien angebaut wurde und somit ein importiertes und teures Nahrungsmittel war. An Öl- und Faserpflanzen fanden sich am Oberrhein Rübenkohl, Leindotter, Hanf, Linsen, Kulturlein und Schlafmohn.

 

Beim Obst überwogen die Wildobstsorten. Am häufigsten wurden Süß- und Sauerkirschen, sowie Pflaumen, Schlehen und Zwetschgen gegessen. Doch auch Erdbeeren, Äpfel, Aprikosen, Quitten, Pfirsiche, Birnen, Stachelbeeren, Kratzbeeren, Brombeeren, Himbeeren, Heidelbeeren, Holunder, Hagebutten, Weißdorn und vor allem Weintrauben bereicherten den Speiseplan. Hinzu kommen noch Walnüsse und Haselnüsse, sowie Esskastanien die aus südlicheren Regionen eingeführt wurden. Ferner auch die heute kaum noch als Nahrungspflanze bekannte Mispel. Auch Maulbeeren wurden schon am Oberrhein angepflanzt.Dagegen wurden Granatäpfel und Feigen aus dem Mittelmeerraum importiert und galten somit nicht als alltägliche Speise.

 

Die am häufigsten verzehrten Gemüsesorten waren Mangold, Rote Bete, Sellerie, Brennnessel, Gurke, Möhre, Fenchel, Erbse, Rettich, Feldsalat, Ackerbohnen und Kohl. Besonders der Kohl war ein wichtiges Grundnahrungsmittel, da er im Winter als Sauerkraut ein bedeutender Vitaminlieferant war. Im Südwestdeutschen Raum gab es ferner Morcheln, Kürbisse, Rüben, Knoblauch, Zwiebeln und Lauch. Einige Speisepflanzen wie Melde und Erdbeerspinat die im späten Mittelalter eine Rolle spielten sind in der heutigen Küche gänzlich in Vergessenheit geraten. Wohingegen Amaranth und Portulak heute wieder Einzug in die moderne Küche erhalten. Auch Kresse wurde gerne gegessen. Die aus der heutigen Küche nicht mehr wegzudenken Nahrungsmittel wie Kartoffeln, Mais und Tomaten waren im späten Mittelalter noch nicht bekannt.

An Gewürzen standen im späten Mittelalter Dill und Petersilie zur Verfügung, in südwestdeutschen Kochbüchern fand man als weitere Gewürze auch Ingwer, Zimt, Paradieskorn, Zucker, Salz, Honig, Salbei, Knoblauch und Zwiebeln. Des weiteren wurden auch Kerbel, Sellerie, Kümmel, Koriander, Fenchel, Wacholder, Liebstöckel, Minze, Basilikum, Majoran und Bohnenkraut zum Würzen benutzt. Auch Pfeffer und Muskatnuss fanden ihre - jedoch nur sparsame- Verwendung, da diese Gewürze importiert und daher sehr teuer waren, der sehr geschätzte Safran war zeitweise sogar so teuer wie Gold.

 

Wie heute auch, wurden im späten Mittelalter vor allem Schweine, Rinder, Schafe und Ziegen verzehrt. Seltener kam auch Wild, wie Reh, Hirsch, Hase, Wildschwein, Wachteln, Rebhuhn und Misteldrossel auf den Tisch. Die Oberschicht machte auch vor dem Verzehr von Pfauen und Katzen keinen Halt. Die Katzen jedoch wurden wohl während einer Notzeit verspeist. Auch Fische wie Bachforellen, Felchen (im Bodenseeraum), Äschen, Hechte, Rotaugen, Lauben, Karpfen, Barsche, Groppen und Lachse standen zur Verfügung.

 

Die bereits im Hohen Mittelalter idealisierte Trennung zwischen Bauernspeise einerseits und Herrenspeise andererseits hat sich im späten Mittelalter noch stärker verwischt. Das konnte wahrscheinlich teilweise dem selbstbewusster werdenden Stadtbürgertum zugeschrieben werden, da diese sowohl Bauern- als auch Herrenspeisen in ihre Rezeptsammlungen aufgenommen haben.

 

Die Herrenspeisen waren dem Adel und Klerus vorbehalten. Zu den Herrenspeisen zählten Weißbrot, Wildbret, Geflügel, gebratenes Fleisch und Fisch. An Obst wurden den Herren all das zugeordnet "was in der Höhe wächst" wie Äpfel, Birnen, Kirschen, Nüsse, Mandeln, Feigen und Trauben.

Dagegen war den einfachen Bauern nur das "was am Boden wächst" zugeschrieben, also Gemüse, Wurzeln und Kräuter. Des weitern gehörte zu den Bauernspeisen schwarzes Roggenbrot, gehobeltes Kraut oder Rüben, Breispeisen, sowie Suppen mit Einlagen aus Teig, gequirlten Eiern oder den oberen Eingeweiden, dagegen jedoch ausdrücklich kein Fisch.

 

Ein weiterer Grund dafür, dass die Trennung in Herren- und Bauernspeise nicht eingehalten werden konnte, war ganz einfach die wirtschaftliche Möglichkeit des Hausherrn, denn diese war ausschlaggebend für die Art und Menge der Speisen.

 

Kosten und Prestige der Speisen bemaßen sich an ihrem Seltenheitswert. Im Vergleich zur heutigen Zeit hat sich der Prestigewert einiger Speisen jedoch deutlich verschoben, so z.B. derjenige von Lachs oder Süßwasserkrebsen. Durch die zunehmende Gewässerverschmutzung im 19. und 20. Jhd. sind diese so selten geworden, dass sie heute als Luxusspeisen gelten. Im Mittelalter dagegen wurden Krebse und Lachse als Massenspeise gehandelt.

 

Bei der Zubereitung der Speisen im späten Mittelalter fällt die Häufigkeit des langen Kochens, Zerstoßens und Passieren der Zutaten besonders auf. Die hohe Bedeutung von Mus- und Breispeisen hatte mehrere Ursachen. Bis weit in die Neuzeit hinein wurde bei vielen Familien, vor allem auf dem Lande, lediglich in einem einzigen großen Topf gekocht, der nicht viel mehr als verschiedene Breivariationen zuließ. Des weiteren stellte in der einfachen Küche das Verkochen aller Zutaten, einschließlich der jeweiligen Speisereste vom vorherigen Mahl die ökonomischste Zubereitungsart überhaupt dar. Auch die durchweg schlechten Zähne machten die langen Garzeiten notwendig.

 

Der Saucenherstellung sind überdurchschnittlich viele Rezepte gewidmet. Durch die Saucen wurden die recht einfach zubereiteten Speisen aufgewertet. Ein mittelalterlicher Koch war daher in erster Linie ein "Saucenkoch".

 

Weitere Merkmale spätmittelalterlicher Küche sind das Verzehren diverser Kleintiere die auf heutigen Küchenzetteln nicht mehr zu finden sind wie z.B. Eichhörnchen, Igel, Meerschweinchen, Siebenschläfer, Biber sowie eine große Anzahl verschiedener Singvögel. Auch Wein galt als Speisebestandteil und war auch gleichzeitig ein Wohlstandsanzeiger. Jedoch wurden in bürgerlichen Rezeptsammlungen Essig statt Wein verwendet. Dies ist aber nicht als Sparsamkeit anzusehen, sondern wurde vielmehr aus medizinisch-diätetischen Gründen getan. Ganz allgemein kann man die mittelalterliche Küche auch als "Heilküche" ansehen, denn meist sind die frühen handschriftlichen Rezeptsammlungen eine Einheit aus Koch- und Kräuterbuch, Arznei- und Heilmittelbuch, manchmal auch ein Pferdeheilbuch.

 

In der Fastenzeit musste ein Koch viel Phantasie und Raffinesse an den Tag legen, denn in der Fastenzeit, die sich auf gut ein Drittel des Kalenderjahres belief durften weder warmblütige Tiere sowie deren Produkte, Milch, Milchprodukte und Eier verzehrt werden.

 

In den gehobenen Schichten bedeute die Fastenzeit jedoch durchaus nicht Askese, denn sie konnten auf Speisen wie Mandelmus, Obst, Schmalzgebäck, Krebse und Fische ausweichen. Für diejenigen Bevölkerungsschichten, die sich solche Fastenspeisen nicht leisten konnten, konnte es durchaus zu einer Mangelernährung kommen. Denn im Vergleich zu der Bevölkerung im Mittelmeerraum, konnten sie nicht auf Olivenöl zurückgreifen, das einen guten pflanzlichen Ersatz darstellte. Denn nördlich der Alpen waren lediglich Mohn, Lein, Nüsse und Hanf ein Ersatz, doch diese konnten nicht in ausreichenden Mengen angebaut werden.

 

Aus diesem Grund kam es auf inständige Bitten im Laufe des Spätmittelalter immer wieder zur Ausstellung spezieller päpstlicher Sondergenehmigungen, sogenannter Butterbriefe, in denen Bauern bestimmter Regionen der Konsum von Milch und Milchprodukten an Fastentagen erlaubt wurde. Erst 1941 erfolgte vom Heiligen Stuhl die allgemeine Erlaubnis, dass Eier, Milch und Milchprodukte in der Fastenzeit verwendet werden dürfen.

 

Die heutige Vorstellung von wüsten Fress- und Saufgelagen im Mittelalter sind, was Fleisch- und Alkoholkonsum betreffen, übertrieben. Sicher sind im Mittelalter schwerere Speisen als heute verzehrt worden, doch dafür waren die Mahlzeiten auch unregelmäßiger. Und insgesamt war die Nahrungsmittelversorgung von ständigen Gefahren wie Missernten, Kriegen oder ähnlichem bedroht, die dann oft zu Mangelernährungen führten und dadurch Seuchen und Epidemien Tür und Tor geöffnet war. So gesehen war das Mittelalter sicherlich kein Zeitalter übermäßigen Essens und Trinkens, von manchen Festtafeln über die gerne berichtet wurde, abgesehen.